Sammelleidenschaft begann vor 40 Jahren

Kunst auf zerbrechlichem Grund

Vor 40 Jahren fing alles an: Zur Geburt ihres Sohnes bekam Monica Nusser von ihrer Schwester ein bunt bemaltes Osterei geschenkt. Die gesamte Familie war darauf abgebildet. „Meine Kinder, die Katzen und sogar das Pferd“, sagt Nusser und lacht. Das „Familien­ei“ hat heute einen Ehrenplatz – nicht in einer Wohnzimmervitrine, sondern unter mehr als 3000 kunstvoll verzierten Eiern in Monica Nussers Ostereiermuseum in Nesselwang im Allgäu. Die zerbrechlichen Schätze hat die Sammlerin teils auf Märkten und Börsen erstanden, aber auch auf vielen Reisen zusammengetragen. 

Bestickt, gefräst, gebohrt, geätzt, bemalt – die Vielfalt der Eier in Nussers Museum ist enorm. „Meist sind es Hühner-, Gänse-, Wachtel- oder Straußeneier. Ich habe aber auch welche aus Holz, Keramik oder Stein“, sagt die 73-Jährige. Winzige Krippen, fantasievolle Zirkusszenen oder sogar eine Theaterbühne samt Darstellern im aufgesägten Ei kann man hier entdecken. Dazu manches prominente Gesicht: Franz Josef Strauß prangt auf einem Ei, Rudolf Mooshammer ist auf einem anderen aufgemalt. 

Päpste und Heilige

Auch religiöse Motive sind bei Ostereierkünstlern beliebt. Der heilige Ulrich mit dem Fisch ist auf einem Ei zu entdecken. Theresia, Katharina und Crescentia von Kaufbeuren blicken einem ebenfalls entgegen. Auch Päpste wie Benedikt XVI. oder Johannes Paul II. fehlen nicht. Das „Vaterunser“ hat eine Künstlerin sorgsam auf ein Wachtelei aufgebracht. „Sogar in Kreuzform“, erklärt Nusser. Auf noch kleineren Eiern kann man die Zehn Gebote lesen. Sie ruhen gut gepolstert in einem großen Schmuckei. 

Eine neuere Errungenschaft der rührigen Sammlerin ist ein Emu-Ei, das die Entschlafung Mariens zeigt. Nusser hat es auf einer Auktion erstanden, genau wie ein Straußenei, das rundum mit der Lebensgeschichte Jesu verziert ist. Auch holzgeschnitzte Kreuzigungsgruppen im Ei, wie sie im Bayerischen Wald und im österreichischen Mühlviertel Tradition haben, sind zu bestaunen. 

Zum 40. Jubiläum zeigt sich das beliebte Museum in neuem Gewand:  Wo früher ein großer Tisch in der Mitte stand, hat Nusser nun einen Teil ihrer Exponate in acht raffiniert konzipierten Innenvitrinen angeordnet. „Die einzelnen Eier kommen jetzt noch besser zur Geltung“, freut sie sich. 

Der ganze Vatikan auf einem Ei

Für ein besonderes Schmuckstück hat sie noch schnell einen Drehteller bestellt: Auf dem Straußenei, das der Kaufbeurer Künstler Rudolf Neureuther dem Museum zur Verfügung gestellt hat, ist Papst Benedikt XVI. dargestellt. „Wirklich fantastisch ist aber die Rückseite. Dort ist der gesamte Vatikan zu sehen“, sagt Nusser. 

Gerne gestaltet sie auch selbst Eier, etwa indem sie sie aufsägt und dann mit Albumbildern oder in der Technik der Klosterarbeiten ausstattet. „Man braucht eine ruhige Hand“, erklärt sie. Das gilt wohl auch für das Gänseei, das die Künstlerin Dorothee Becker mit Hilfe eines Zahnarztbohrers mit 2160 winzigen Löchern versehen hat. 

Eier aus 70 Ländern

Spannend sind die Objekte, die Nusser auf ihren Reisen entdeckt hat. Gut 60 Länder hat sie bereist – und aus mehr als der Hälfte Eier mitgebracht. Sogar ein Schwefelei aus Japan, das dort als Delikatesse gilt, und ein Frühstücksei aus dem Oman fanden den Weg ins Allgäu. Ebenso solche mit Motiven aus China und ein aus Birkenrinde gestanztes Ei von der Insel Kischi in Russland. „Selbst in Jordanien und dem Iran habe ich welche gefunden“, erzählt Nusser. Mit bunten Ornamenten verziert sind die Eier, die die Sammlerin 2016 von einer Reise nach Rumänien aus dem Kloster Moldovita mitgebracht hat. 

Die Ukraine besucht

Besonders oft denkt Nusser in diesen Tagen an die Ukraine, die sie mehrfach besucht hat. In Kiew hat sie vor knapp zehn Jahren vor einer orthodoxen Kirche einen Palmzweig mit vier aufgesteckten Eiern erstanden. „Er ist nicht wertvoll, aber typisch für das Land“, erklärt  sie. 

Dass jetzt in der Ukraine Krieg und Zerstörung herrschen, macht sie traurig und fassungslos. „Ich habe so viele tolle Erinnerungen an meine Ukraine-Reisen. Odessa zum Beispiel ist eine traumhaft schöne Stadt. Wir haben in der damals frisch renovierten und mit viel Gold verzierten Oper ,Schwanensee‘ gesehen. Das ist unvergesslich für mich.“ 

Auch die Stadt Lemberg nahe der polnischen Grenze mit ihrer schönen Altstadt und den vielen historischen Bauten hat sie besucht. „Es ist einfach nur schrecklich, was dort jetzt passiert“, sagt Nusser. 

Eigentlich wollte sie in diesem Jahr wieder nach Kiew und von dort weiter nach Aserbaidschan. Nun geht die Reise „nur“ nach Aserbaidschan. Sicher wird sie auch dort fündig werden und ein neues Exponat für ihr Museum mitbringen.

Verzierte Eier und Natur-Eier

Wer sich dort umschaut, entdeckt neben den prächtigen verzierten ­Eiern auch eine reiche Übersicht an Natureiern – vom Kiebitz-Ei bis hin zum Ei von Zebrafink, Möwe, Krokodil, Pinguin und von anderen Tieren.

Schätze rund ums österliche Brauchtum runden die Sammlung ab: Osterfähnchen, Oster-Weihe­körbchen, Weihetücher und eine Karfreitagsrätsche sind zu sehen, Palmbuschen, aber auch historische Osterbeichtzettel. „Der älteste ist von 1884“, erzählt Nusser. 

Um die Opfer des Ukraine-Kriegs zu unterstützen, hat sie spontan eine Aktion ins Leben gerufen: Am Palmsonntag wurden nach der Festmesse im Pfarrheim St. Andreas gegen eine Spende für die Ukraine-Hilfe noch einmal verzierte Eier, Papp-Eier, Blecheier sowie weitere Osterdekorationen angeboten. Die Objekte stammen von einer kürzlich verstorbenen Sammlerin, die sie Monica Nusser vererbt hat. Da sie in ihrem Museum nur einen Teil aufnehmen kann, entstand die Idee zur Hilfsaktion.

Susanne Loreck